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Hormone im Haushalt: Was sind endokrine Disruptoren & wie wirken sie?

Plastikbecher mit Kaffee darin

Endokrine Disruptoren stecken in zahlreichen Gegenständen unseres Alltags. Doch was sind endokrine Disruptoren eigentlich? Wie wirken sie und warum sollte man sie vermeiden? Die WHO hat dazu eine klare Meinung: Die internationale Organisation betrachtet endokrine Disruptoren als “globales Gesundheitsrisiko”. Manchen Wissenschafter:innen machen sie mitverantwortlich für Erkrankungen wie Krebs, Diabetes, Unfruchtbarkeit und ADHS.

Endokrine Disruptoren im Alltag

Beim Einkaufen hat sich in den letzten Jahren offenbar einiges verändert. Denn mittlerweile geben zahlreiche Hersteller “Entwarnungen”. Sie beschreiben ihre Produkte mit Hinweisen wie “BPA-frei” oder “ohne Weichmacher”. Vom Schnuller bis zur Gesichtscreme, der Trend scheint in Richtung Natürlichkeit zu gehen. Doch auch, wenn zwischen all diesen positiven Produkthinweisen kurze Erleichterung aufkommt. Im nächsten Moment stellt man sich oft die Frage: Was genau bedeutet das eigentlich?

Was sind endokrine Disruptoren?

Endokrine Disruptoren, auch Umwelthormone genannt, sind Chemikalien oder Mischungen von Chemikalien. Sie kommen in unserer Umwelt vor und können unseren Hormonhaushalt beeinflussen. Dabei verhalten sie sich ähnlich wie unsere eigenen Hormone und lösen unerwünschte Reaktionen aus. Was danach passiert? Sie können unseren Hormonhaushalt (endokrines System) durcheinanderbringen.

In welchen Gegenständen stecken endokrine Disruptoren?

Bratpfanne, Konservendose, Pfannenheber, Reinigungsmittel, Spielzeug oder Wohnzimmercouch. – Umwelthormone können in vielen Gegenständen unseres Alltags stecken. Sie verbergen sich hinter Abkürzungen und fremdklingenden Bezeichnungen wie Bisphenole, PFAS, Phtalate und viele mehr. 

Beispiele für endokrine Disruptoren im Alltag:

  • Bisphenol A (BPA)*: z.B. in Behältern und Flaschen aus Polycarbonat für Lebensmittel, Innenbeschichtungen von Getränke- und Konservendosen
  • Phthalate: in Produkten aus synthetischem Gummi, z.B. in Regenbekleidung, Kabeln, Einweghandschuhen, Fußböden (vor allem in PVC-Produkten), Düften und Duftkerzen etc.
  • PFAS: z.B. in beschichtete Pfannen, Kochutensilien, wasserabweisender Kleidung und Textilien
  • Polybromierte Diphenylether (PBDEs): Flammschutzmittel in vielen Kunststoffen, Textilien und Möbeln
  • Polychlorierte Biphenyle (PCBs): z.B. in Lacken, Dichtungsmassen, Kunststoffen
  • Pestizide & Herbizide: in Lebensmitteln 

*Achtung: Die meisten Bisphenole sind Endokrine Disruptoren. BPA ist nur ein Vertreter dieser Gruppe. Die Aufschrift BPA-frei bedeutet nur, dass kein BPA enthalten ist. Allerdings gibt es auch andere Bisphenole, die gleich oder ähnlich schädlich sind, zum Beispiel BPF oder BPAF! Achte daher auf die Aufschrift BP-frei.

Pankcakes werden in einer beschichteten Pfanne angebraten. Im Hintergrund sieht man eine Glasschüssel mit dem Teig darin auf einer Holzplatte stehen.

Endokrine Disruptoren, die sich als Hormone tarnen

Wie wirken endokrine Disruptoren? Dafür muss man zuerst unser endokrines System, das heißt unser Hormonsystem verstehen. 


Unser Hormonsystem besteht aus drei wesentlichen Komponenten: 

  1. Endokrine Drüsen: z.B. Schilddrüse, Bauchspeicheldrüse, Nebennieren
  2. Hormone, die in diesen Drüsen produziert werden: z.B. Östrogen, Testosteron, Adrenalin, Insulin
  3. Zielzellen, in denen die produzierten Hormone ihre Wirkung zeigen sollen

Unterscheidung: Endokrin aktive Substanzen (EAS) und endokrine Disruptoren (ED)

Endokrin aktive Substanzen beeinflussen genauso wie endokrine Disruptoren unseren Hormonhaushalt. Bei EAS ist aber „beim aktuellen Stand des Wissens noch unklar, ob diese Wechselwirkung zu einem schädlichen Effekt auf den gesamten Organismus führt oder nicht“, so die Erklärung vom Deutschen Umweltbundesamt

Hormone – die Basis für Wachstum und Entwicklung

Natürliche Hormone werden über unser Blut transportiert. Sie haben die Funktion, gewisse Reaktionen in unserem Körper auszulösen. Auf diese Weise steuern sie unsere Entwicklung, unser Wachstum, unsere Fortpflanzung oder sogar unser Verhalten.


Genau an diesem Punkt offenbaren auch endokrine Disruptoren und endokrin aktive Substanzen ihre Wirkung. Strukturell ähneln sie unseren eigenen Hormonen. Deswegen können sie an die Hormonrezeptoren unserer Zellen andocken. Das Ergebnis: Die Wirkung unserer eigenen Hormone wird dadurch möglicherweise abgeschwächt oder verstärkt. Gleichzeitig kann sich die Hormonkonzentration in unserem Körper verändern oder der Abbau natürlicher Hormone gestört werden.

„Hormone interagieren mit den Zielzellen zum Beispiel nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip und lösen so gezielt Wirkungen aus. Bindet sich stattdessen ein Umwelthormon an die Rezeptoren der Zellen, können ungewollte Nachrichten ausgelöst werden.“

- Katharina Heckendorf in ihrem Buch „Umwelthormone. Das alltägliche Gift.“

Wie wirken endokrine Disruptoren?

Die ZEIT-Journalistin Katharina Heckendorf führt in ihrem Buch „Umwelthormone“ zahlreiche Beispiele an. Diese Wirkweisen von endokrinen Disruptoren verdeutlichen sollen. Sie berichtet, dass BPA in den Dreißiger-Jahren noch als künstliches Östrogen erforscht wurde. Zwei Jahrzehnte später kam es aber anstatt in der Medizin hauptsächlich in der Plastikproduktion zum Einsatz. Die schweren Folgen machten Studien erst Jahre später sichtbar. Sie belegen Auswirkungen auf die sinkende Quantität und Qualität der Spermien von Männern, die hohen Dosen von BPA ausgesetzt waren. 

Blätter im Licht und sanfte Sonnenstrahlen

Die WHO betrachtet endokrine Disruptoren als „globales Gesundheitsrisiko“. Man macht sie mitverantwortlich für Erkrankungen wie Krebs, Diabetes, Unfruchtbarkeit und ADHS. 

Andere Studien zeigen auch, dass Frauen mit hohen Konzentrationen von BPA im Blut Probleme hatten, schwanger zu werden. Auch eine höhere Wahrscheinlichkeit an Fehlgeburten wurde bei dieser Gruppe sichtbar.

Über Katharina Heckendorf

Die freie Journalistin schreibt unter anderem für DIE ZEIT und das ZEIT-Magazin Online. Das Medium Magazin hat sie im Jahr 2019 als eine der „Top 30 bis 30“-Nachwuchsjournalist:innen ausgezeichnet. In ihrem Buch „Umwelthormone“ liefert sie wissenschaftlich fundierte Fakten und alltagstaugliche Tipps, wie du Schadstoffe im Alltag ganz einfach vermeiden kannst.

WHO über endokrine Disruptoren

Es sind Studien wie diese, auf die sich auch die WHO bezieht. In ihrem zuletzt veröffentlichten Bericht zur Globalen Bewertung des Stands der Wissenschaft über endokrine Disruptoren (September 2022) schreibt die WHO: „Endokrine Störungen werden nicht als toxikologischer Endpunkt an sich betrachtet, sondern als funktionelle Veränderung, die zu nachteiligen Auswirkungen führen kann.“


Das Deutsche Umweltbundesamt wählt in ihrer Erklärung zu Endokrinen Disruptoren weitaus drastischere Worte und spricht von schwerwiegenden Effekten. „Dazu zählen vor allem irreversible Schädigungen in der Entwicklung von Organismen, die Förderung bestimmter Krebsarten beim Menschen und die Gefährdung ganzer Populationen durch z.B. die deutliche Verschiebung von Geschlechterverhältnissen bei Wildtieren.“

„Wie extrem die Auswirkungen sind, hängt auch wesentlich vom Zeitpunkt der Exposition ab, also wann der Körper dem Gift ausgesetzt war. So ist unser Hormonsystem besonders in der Entwicklung anfällig für Störungen durch Umwelthormone, etwa während der Embryo im Mutterleib heranwächst. Denn in der vorgeburtlichen Entwicklung sind es Hormone, die dafür sorgen, dass unsere Organe über das gesamte Leben richtig funktionieren.“

Katharina Heckendorf

Manche Antworten liegen in der Zukunft

Wie gravierend ist der alltägliche Umgang mit endokrinen Disruptoren tatsächlich? Diese Frage lässt sich zum derzeitigen Zeitpunkt kaum beantworten. Mit Sicherheit werden auch Jahrzehnte vergehen, bis es soweit ist. Und das hat verschiedene Gründe: Es besteht nicht nur die Möglichkeit, dass bestimmte Auswirkungen erst zeitverzögert sichtbar werden – vielleicht sogar erst Generationen später.


Außerdem ist noch immer nicht ausreichend geklärt, welche Wirkungen sogenannte additive Effekte haben könnten. Das heißt, was passiert, wenn unterschiedliche Umwelthormone zusammenwirken oder sich schon ein gewisses Maß an endokrinen Hormonen in unserem Körper angereichert hat?


Studie mit sensibler Personengruppe: Unsere Kinder im Fokus

Fragen wie diese werden uns also noch lange Zeit beschäftigen. Umso wichtiger sind sogenannte Human-Biomonitoring Studien. Eine Studie dieser Art wurde auch vom österreichischen Umweltbundesamt in Zusammenarbeit mit der Universität Wien durchgeführt. 


Wissenschafterinnen und Wissenschafter untersuchten den Morgenharn von 85 ostösterreichischen Volksschulkindern. Alle Proben wurden in Hinblick auf 130 unterschiedliche chemische Verbindungen analysiert. (z.B.   fluorierte Stoffe, Bisphenole, Konservierungsmittel, Schimmelpilzgifte). Substanzen aus Konsumprodukten, Lebensmitteln und Kosmetika konnten bei allen Kindern nachgewiesen werden. Die nachgewiesenen Konzentrationen waren zwar gering. Doch wie sich eine langfristige Belastung auf unseren Körper auswirkt, ist noch ungewiss. 

Babyfüße in Großaufnahme

Bewusste Entscheidungen treffen

Manche Wirkweisen endokriner Disruptoren kennen wir schon. Doch bei den langfristigen Folgen gibt es noch zahlreiche Fragezeichen. Umso wichtiger ist es, jetzt für die Zukunft bewusste Entscheidungen zu treffen. Welche Produkte lassen wir in unserem Leben zu und welche lassen wir lieber weg?

Quellen und Studien

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